Und warum Sie Bewerber damit nicht gewinnen
Es wird immer schwieriger, gut qualifizierte Job-Kandidat:innen und vielversprechende Nachwuchskräfte erfolgreich ins eigene Unternehmen zu holen. Umso wichtiger ist es, sich im Recruiting-Prozess von Anfang an authentisch als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren, besonders im persönlichen Bewerbungsgespräch. Darum sollten Verantwortliche heute auf die fünf schlimmsten Typen von No-Go-Fragen beim Recruiting verzichten. Denn nur wer gute Fragen stellt, erkennt die besten Talente – und kann sie dann auch für sich gewinnen.
No-Go-Fragen beim Recruiting: die fünf Fragetypen
1. No-Go-Frage fürs Recruiting: Rätselfragen
Brainteaser verwirren, statt Aufschluss zu geben
Warum auch immer, häufig werden in Bewerbungsgesprächen Quiz- und Rätselfragen gestellt, die eigentlich nichts mit dem Job(-Umfeld) zu tun haben: Wie viele Cappuccino werden täglich in Manhattan getrunken? Wie viele Smarties passen in einen Smart? Das klingt ja vielleicht irgendwie lustig – ist es für Bewerbende aber eher nicht. Denn es ist nicht nur nahezu unmöglich, auf die korrekte Antwort zu kommen. Schlimmer: Die zusammenhangslose Frage bringt Bewerbende aus dem Konzept und macht sie unnötig nervös. Warum werden Brainteaser dann abgefragt? Job-Interviewer:innen möchten nicht Wissen testen, sondern, ob und wie der oder die Kandidat:in reagiert: Bleibt er oder sie souverän oder gerät in Stress, wird es mit Humor genommen oder wird er oder sie schnell ablehnend und so weiter.
Warum Rätselfragen ein No-Go sind: Ehrlich gesagt sind solche Rätselfragen viel mehr Psychospielchen als Interviews mit Aussicht auf Erhellendes über den Kandidaten. Denn sehr, sehr viele Menschen wären hier eher gestresst und ablehnend, vermutlich sogar die Mehrheit aller Befragten. Es würden also eine Menge eigentlicher sehr guter Kandidat:innen nach ihrer Reaktion als ungeeignet eingestuft werden. Das bringt uns zu Grund zwei: Die Eignung – über die tatsächliche analytische Fähigkeit oder gar Intelligenz eines Bewerbenden sagt ein Quiz weniger als wenig aus. Drittens ist es schon ein wenig gemein, Kandidat:innen absichtlich nervös zu machen. Und genau das spürt auch der Bewerbende! Er wird sich vermutlich unwohl fühlen, die Gesprächssituation -wie gut es auch vorher lief- eher insgesamt in schlechter Erinnerung behalten und damit auch das Unternehmen, zumindest unterbewusst, nicht als positiv bewerten.
Gegenfrage an Sie: Möchten Sie sich als Arbeitgeber wirklich von einer schlechten Seite zeigen?
2. No-Go-Frage im Recruiting: Psychofragen
Vermeintliche Psychologie ist in Wirklichkeit Nonsens
Manchmal sollen Job-Kandidat:innen, statt Quiz-Antworten zutage zu fördern, tatsächlich in der eigenen Psyche graben: Welches Tier wären Sie? Finden Sie einen Kreis oder ein Dreieck sympathischer? Auch dieser Fragetyp ist leider eher Nonsens, als dass er nachweislich über irgendeine Art der Qualifikation, Eignung oder Motivation Auskunft gäbe. Ja, es gibt das ein oder andere Handbuch, das die Antworten auf solche Fragen kategorisiert und dann Aufschluss auf Charaktereigenschaften verspricht, aber: Psychologisch fundiert oder gar belegt ist das wirklich nicht. Es gibt auch keine richtige oder falsche Antwort, die letztlich immer Auslegungssache wäre. Warum werden Psycho-Fragen trotzdem gestellt? Entweder weil der Interviewende dem Handbuch glaubt, das Gespräch auflockern möchte oder einfach sehen möchte, wie der Bewerbende mit der Frage umgeht.
Warum Psycho-Fragen ein No-Go sind: Erstens, weil sie wirklich nicht irgendetwas Belegbares über den Charakter eines Menschen ans Licht bringen – vertrauen Sie besser Ihrer gesunden Menschenkenntnis, selbst ein Bauchgefühl ist verlässlicher. Zweitens bringt auch dieser Fragetyp Bewerbende schnell unnötig aus dem Konzept. Das beweist dann aber überhaupt nicht, dass der oder die Kandidat:in in einer arbeitsbezogenen Stresssituation schnell die Nerven verliert. Im Arbeitsalltag kann er nämlich auf Fähigkeiten und Tatsachen zurückgreifen und ist vielleicht sogar ein verlässlicher Fels in der Brandung – obwohl er nicht „Elefant“ geantwortet hat. Und letztlich: Wenn Sie einen erwachsenen, gut ausgebildeten Menschen fragen, ob er lieber Hund oder Katze wäre, könnte er sich von Ihnen auch schlicht veralbert fühlen – also als Mensch und potenzieller Arbeitnehmender nicht ernst genommen.
Gegenfrage an Sie: Falls Sie eines haben – schmeißen Sie das Handbuch jetzt bitte weg?
3. No-Go-Frage im Recruiting: Old-School-Fragen
Alte Standardfragen gehen an heutigen Arbeitnehmer-Ansprüchen vorbei
Mit dem gesellschaftlichen Wertewandel, veränderter Erwartungshaltung innerhalb verschiedener Arbeitnehmenden-Generationen und den allgemeinen Zukunftsperspektiven ändert sich auch der Anspruch an Arbeitgeber und Karriereentwicklung. Trotzdem werden in vielen Bewerbungsgesprächen noch immer Fragen gestellt, die aus der Zeit steiler Karriereleitern und einer Sicht auf Mitarbeitende als Untergebene stammen: Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Was haben Sie unserem Unternehmen zu bieten? In der heutigen Realität planen Menschen Karrieren aber nicht mehr von langer Hand – im Gegenteil werden sogar Branchenwechsel immer häufiger. Zudem müssen sich Unternehmen heute viel eher fragen, was sie einem Bewerbenden bieten können, damit er sich für den Job entscheidet. Warum werden solche eher altmodischen Fragen dennoch weiterhin gestellt? Weil viele Arbeitgeber (noch) nicht die Chance hatten, sich mit den Wünschen, Zielen und Ansprüchen jüngerer und ganz junger Arbeitnehmenden-Generationen auseinanderzusetzen.
Warum Old-School-Standard-Fragen (oft) ein No-Go sind: Jungen Arbeitnehmenden der Generation X und auch der Gen Z sind persönliche und berufliche Entwicklung sowie Sinn und Sinnhaftigkeit im Arbeitsleben wichtiger als Aufstiege und Titel. Selbst die wieder mehr auf Stabilität bauenden Gen Zs planen nicht langfristig in klassischen Karriere-Steps. Zudem durchschaut diese Generation ihre Umwelt extrem schnell und zielsicher – im Zweifel dann Sie als Arbeitgeber, der keine zeitgemäßen Entwicklungsangebote und Sichtweisen bietet. Und drittens geben Ausbildung und Qualifikationen mehr als genug Aufschluss darüber, was Kandidaten in den nächsten Jahren erreichen könnten und was sie Unternehmen zu bieten haben.
Gegenfrage an Sie: Möchten Sie nicht lieber mit den neuen Zeiten Schritt halten und Veränderungen positiv mitgestalten?
4. No-Go-Frage beim Recruiting: Stressfragen
Strenges Nachhaken wird als Verhör empfunden
Früher war alles anders – auch die Lebensläufe von Job-Kandidat:innen: Da gab es keine Lücken und nur wenige Positionen, weil man den Arbeitgeber möglichst gar nicht gewechselt hat. Das ist natürlich lange her, doch es gibt sie noch, diese Fragen: Warum ist hier eine Lücke in Ihrem Lebenslauf? Bei Arbeitgeber X waren Sie nicht lange – was war da los? Was auf den ersten Blick vielleicht als nachvollziehbare Frage gilt, ist es heute allerdings nicht mehr. Der geneigte Bewerberbende könnte die Lücke natürlich mit „persönliche Weiterentwicklung“ füllen, was ja immer irgendwie passt und nie ganz gelogen ist. Aber: Sein Mut zur Lücke ist doch viel sympathischer als ein Hang zur Schönfärberei. Das wird durch solche Fragen aber nicht belohnt, stattdessen soll sich der oder die Job-Kandidat:in nun rechtfertigen und etwas preisgeben, was er oder sie gar nicht erzählen müsste, um di eigene Qualifikation zu beweisen. Warum werden solche Stressfragen immer noch gestellt? Weil einige Personalverantwortliche hellhörig bis misstrauisch werden, wenn ein Lebenslauf nicht dem (überholten) Schema X entspricht.
Warum Stressfragen ein No-Go sind: Sie erzeugen -wie ihr Name schon sagt- Stress beim Bewerbenden. Eigentlich soll es um seine Eignung für den Job gehen, plötzlich hat er sich aber zu rechtfertigen – ein unschönes Gefühl! Zweitens sind Lebensläufe heute einfach nicht mehr geradlinig und gleichförmig. In Zeiten von Projekt-Arbeit können sechs Monate bei einem Arbeitgeber genau lang genug sein: Projekt erfolgreich abgeschlossen, Arbeitgeber braucht Experten eigentlich nicht mehr, Arbeitnehmender sieht keine Entwicklungschancen, beide trennen sich in Frieden, wunderbar. So kann es heute eben auch gehen. Und schlussendlich: Ein Bewerbungsgespräch ist kein Verhör. Statt nach „Ungereimtheiten“ sollte Sie lieber nach Matches suchen: Was passt genau zu Ihrem Anspruch, wo können Sie bieten, was sich der Bewerber wünscht.
Gegenfrage an Sie: Ist es für den Erfolg Ihres Unternehmens wirklich wichtig, was genau der Bewerbende von Februar bis Mai 2018 gemacht hat?
5. No-Go-Frage im Recruiting: Überhebliche Fragen
Ein herablassender Ton disqualifiziert Arbeitgeber
Der Bewerbende ist gut genug geeignet, um ihn zum Bewerbungsgespräch einzuladen, dafür nimmt er sich Zeit und reist vielleicht gar weitläufig an. Statt Wertschätzung zu zeigen, gibt es aber (noch) Personalverantwortliche, die den Job-Kandidaten jetzt erstmal auseinander nehmen möchten, mit Fragen wie: Finden Sie sich selbst qualifiziert für diese Stelle? Mehr können Sie auf diese Frage nicht antworten? Ganz ehrlich: Solche Fragen sind eigentlich nicht nur unangebracht, sondern fast unverschämt. Denn sie sind weder gut gestellt, noch gut gemeint: Hier wird nicht aufgefordert, ruhig noch ein wenig mehr zu erzählen – sondern herablassend deutlich gemacht, dass die Antwort nicht gefallen hat. Der Bewerbende wird von oben nach unten behandelt, ihm wird ganz bewusst ein schlechtes Gefühl gegeben. Was soll das, warum dieser überhebliche Fragestil? Der Fragende möchte womöglich provozieren, um zu testen, wie wichtig dem Bewerbenden der Job ist und ob er bereit ist, alles zu geben. Hier geht es nicht darum, sich als positiver Arbeitgeber zu präsentieren – der oder die Kandidat:in soll vielmehr um den Job buhlen, möglichst ehrfürchtig.
Warum überhebliche Fragen (immer) ein No-Go sind: Respekt, Wertschätzung und ein Dialog auf Augenhöhe sind heute wesentliche Unternehmenswerte, um Arbeitnehmende zu gewinnen und zu binden. Mehr noch: Sie werden -schöner Weise- immer mehr zum Standard, Bewerber dürfen das also schon im ersten Gespräch getrost erwarten. Und ganz gleich wie reputiert ein Unternehmen ist oder wie traumhaft die vakante Stelle – Tatsache ist: Die Stelle ist vakant, Sie brauchen jemanden, der sie besetzt, damit der Laden läuft. Der Bewerbende braucht den Job im Zweifel aber nicht. Denn wenn „sogar Sie“ ihn zum Bewerbungsgespräch eingeladen haben, dann sicher auch andere. Und drittens: Mit unnötiger Provokation und gar herablassendem Verhalten disqualifizieren Sie sich beim Bewerbenden als der attraktive Arbeitgeber, den er verdient.
Gegenfrage an Sie: Ist Ihnen klar, dass sich in Zukunft eher Unternehmen bei Top-Kandidaten bewerben müssen als umgekehrt?